Routine vs Leben

Das Leben rauscht vorbei. Tag für Tag. Alles scheint zu funktionieren, und dennoch ist da dieses merkwürdige Gefühl der inneren Leere, das Gefühl, etwas Wesentliches verpasst zu haben. Es fühlt sich an, wie hinter unsichtbaren Gitterstäben.

Jahrelang fühlte ich mich so. Ich wollte es schaffen, es allen zeigen, durchhalten, fühlte mich in dieser Situation wie gefangen. Die Türe meines Kerkers stand mir immer offen, doch ich merkte es nicht. Meine Ängste zeigten sich in Gedanken wie  »Ich kann nicht, weil…« oder »Ich werde abstürzen, weil…«. Meine Konformität flüsterte mir Sätze zu wie  »Ich darf doch nicht, weil…«. Ich dachte, Freiheit bedeute den Verlust von Sicherheit, von beruflichen Kontakten, und Verarmung. Die Folge war, dass ich zu lange in meiner Zelle sitzen blieb und auf bessere Zeiten oder den  »richtigen«  Moment wartete.

Die Gitterstäbe dieses Gefängnisses bestehen aus den Grenzen dessen, was wir als angenehm empfinden. Wir ziehen uns hinter diese Grenzen zurück, weil wir hoffen, dass sie uns vor den Gefahren des Lebens schützen. »Ich wurde enttäuscht«, hast du gesagt und einen Teil dieses Gefängnisses gebaut. »Ich werde immer wieder die gleichen schmerzhaften Erfahrungen machen, ohne wahrhaft geliebt zu werden«, hast du gesagt und die nächsten Gitterstäbe eingezogen. »Ich hasse mich für meine Entscheidung«, hast du gesagt und damit den Deckel geschlossen. So hast du dich allmählich eingemauert. Innerhalb dieser Grenzen fühlt es sich wohlig und weich an, doch das Leben in Freiheit findet draußen statt.

Jeder von uns wurde irgendwann enttäuscht, verletzt, zurückgewiesen, kritisiert oder verurteilt. Wir empfanden Schmerz und verschlossen unser Herz, gingen innerlich auf Distanz. Wir hörten auf, unsere wahren Gefühle und Gedanken zu zeigen und verstellten uns, um den Schmerz der Zurückweisung zu vermeiden. So nahm unsere Abgrenzung und Vorsicht Stück für Stück Gestalt an.

Unsere Lebendigkeit sehnt sich aber weiter nach Nähe, Liebe, Freundschaft und Intimität. Wir suchen Nähe und vermeiden gleichzeitig unsere wahren Gefühle zu zeigen, damit wir nicht wieder verletzt werden. Das macht unsere Partnerschaften und Freundschaften mit der Zeit oberflächlich und flüchtig und wir werden immer isolierter. Der Gegenentwurf besteht aus Veränderungsbereitschaft und Verletzlichkeit. Damit öffnen wir die Tür zu neuen Eindrücken, zu wahrhafter Nähe und Intimität.

Nur wenn wir wahrhaft sagen, was wir denken und fühlen, können sich andere in uns wiedererkennen. Nur wenn wir anderen Menschen nicht ständig ein anderes Ich vorspielen, ziehen wir Menschen an, die unsere Ideen, Haltung und Liebe zu schätzen wissen. Veränderungsbereitschaft heißt, Verletzlichkeit zu riskieren, ohne Gitterstäbe oder Ritterrüstung und wahrhaft zu sagen:  »So geht es mir gerade. Ich fühle mich einsam, ängstlich, verletzt, beschämt, ohnmächtig, schwach, klein, hilfsbedürftig, mutlos, verzweifelt, wütend oder traurig.«

Auch wenn sich das vielleicht für eine Weile desolat anfühlt – wichtig ist, deinem inneren Kern nahe zu sein, mit dir selbst in Berührung zu kommen. Auch wenn diese Momente schmerzhaft sind, machen sie dich echter, wahrhafter und wirklicher.

Erwarte dabei nicht, dass jeder Mensch dich einfach so annimmt, liebt und versteht. Doch steh zu dir und deinen Gefühlen. Mut, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit öffnen nämlich die Tür zu deinem eigenen Herzen und vor allem zum Herzen deines passenden Partners oder Freundes. Zeige deinen Mitmenschen dein wahres Gesicht. Sprich von dem, was dich wirklich bewegt. Lass die Gitterstäbe deiner Sorgen und Ängste hinter dir, und du bist FREI. Dein Bewusstsein wird sich weiten und du wächst über deine bisherigen Grenzen hinaus.

Viel Spaß damit.

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